Es gibt im Normalfall zwei Arten, eine Position zu beziehen. Die eine ist argumentativ, die andere ist metaphorisch. Seit ich mich erinnern kann, wähle ich die zweite und erzähle mit meinen Geschichten gegen die Macht der Argumente und die Vorschreibungen derer an, die definieren, was jeweils richtig ist und erwünscht.
Als ich Anfang der 1980er Jahre meine Heimat, das Ausseerland, verließ und in die Stadt zog, um Philosophie und Literatur zu studieren, fühlte ich mich zunächst wie ein Rennpferd, dem seine Laufbahn abhanden gekommen war. Ohne Prüfungen und ohne die Möglichkeit, sich durch die Wiedergabe von Wissen zu beweisen, wurde mir das Schreibend-neben-den-Gedanken-Einhergehen zu einer zweiten Natur. Nur die Arbeit am Begriff, wie Hegel es nannte, wollte mir nicht gelingen. Und so blieb ich einer, der die Worte nicht kaute, sondern vor sich in der Luft jonglierte. Die Diplomarbeit über den Szene-Literaten und Grenzgänger Rainald Goetz, der sich beim Klagenfurter Wettlesen vor laufender Kamera die Stirn aufschnitt, gerann mir zur ersten Bestandsaufnahme (m)einer Überschreitung.
Einmal um die Welt herum
Vom Kopf in die Welt ging es über China, Ende der 1980er Jahre. Ich nenne es heute kalligrafisches Reisen. Das Unbekannte buchstabierend. Radebrechend auf mich selbst geworfen. Nach Jahren noch biegt sich der klobige Vogel im beiläufigen Kampf der Kräfte. Drinnen Musik im Gehör und draußen, nur eine Spanne entfernt, das Ächzen von Zeit und Raum. Zhong Guo, ein schwarzes Zeichen auf metallenem Grund. Ich sehe mich durch das Bullauge. Dahinter die Vertikale, tausende Meter aus Luft – das Land, das ich nie erreichte. Sechs Monate, in denen ich jede Woche einen Brief nach Hause schrieb, ohne auf eine Antwort zu hoffen. Viel war die Rede von der Distanz – zwischen dem Erlebten und dem Subjekt, das erlebt, zwischen dem Erinnern und dem dieses glückt, ein feiner Riss, der dort spürbar wurde, wo es ihn per definitionem nicht hätte geben dürfen.
Wieder zurück in Österreich lieferte ich Texte für Literaturmagazine und die Feuilletons namhafter Zeitungen. Bis ich keinen Cent mehr in der Tasche hatte. Schreiben – ein Prozess für mich, der schon damals keine Kompromisse kannte. Als ich unterzugehen drohte, warf mir ein Weggefährte einen Schwimmreifen zu. Ich übernahm die Marketing-Agenden eines IT-Unternehmens – auch weil ich insgeheim spürte, dass über unsere Kultur in Zukunft nur reflektieren kann, wer die technologischen Rahmenbedingungen kennt. Das geschah zu einer Zeit, in der Personal Computer noch als Nähmaschinen deklariert wurden, um sie durch den Zoll zu schleusen. 5 Jahre später, 1994, eröffneten wir im Wiener Rathaus (mit IDEAL cultural affairs) das erste Internet-Café in Österreich.
Wir waren erfolgreich, doch aus der Vision, (mit der Anfang der 1990er Jahre gegründeten SOFA Consulting) Kommunikation als Management-Disziplin zu etablieren, wurde langsam ein Traum, der mir den Schlaf raubte. Was mich in dieser Zeit vor allem über Wasser hielt, war selbst Entwickeltes wie das Medienprojekt Supervisor, das dem Grenzgang zwischen Kultur und Technologie erstmals Gestalt verlieh. Die Unzufriedenheit blieb, weil vieles Oberflächenpolitur war, Marketing-Schmäh, flüchtiges Gerede – und bezugslos zu dem, wo Veränderung passiert.
In der Mitte entspringt ein Fluss
Das brachte mich auf meine zweite Neu-Orientierungs-Reise, die mich zunächst nach Kanada führte und von dort nach Südamerika, nachdem ich meine Geschäftsführer-Agenden zurückgelegt hatte. Ich zog den First Nations durch die Rockies hinterher, wurde Alpintrainer von Brad Pitt, unternahm längere Walkabouts in den Anden, arbeitete im internationalen Film-Business als Schauspieler und Stunt-Double, lernte Stars und Stories kennen, war Skilehrer auf einem Vulkan in Patagonien und fand nach zwei Jahren des Mäanderns meinen Weg zurück zur Arbeit mit Menschen, vom Kopf auf die Füße – zunächst als Outdoor-Trainer, später als Moderator für ganzheitliches Lehren und Trainieren und schließlich als systemischer Coach und StoryWorker, während immer noch ein kreativer Auftrag den anderen jagte.
Ein Freund legte mir mitten in diesen Umbruchsjahren nahe, dass ich mich wohl zwischen Automobilclub und Autowerkstätte entscheiden werde müssen, also zwischen Beratung und Kreativität, Analyse- und Reparaturleistung, Theorie und Dialog. Beides zusammen, meinte er, wird nicht gehen. Ich nahm es mit und dachte darüber nach, während die Jahre vergingen. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr spürte ich einen tiefen Unwillen in mir, dieses Entweder-Oder anzunehmen. Ich wusste intuitiv, dass mein Ding der Spagat war, das Sowohl-als-auch – ich hatte nur noch keinen Namen dafür. Doch nach und nach begannen meine Umwege Sinn zu machen. Mein philosophisches Rüstzeug, meine Ausflüge in die Romantheorie, meine essayistischen Eskapaden, meine Naturerfahrungen, meine Reisen, meine Grenzüberschreitungen.
Heute weiß ich es. Ich bin Kreativer (Filmemacher, Drehbuchautor und Texter) und werde es immer sein. Und ich bin auch Coach, Sparring-Partner für Geistesblitze und Unternehmenskulturentwickler, wenn es passt. Mir jedenfalls stehen beide Hüte, das wurde mir vielfach bestätigt. Zwischen Kreation und Beratung liegt die Arbeit mit Geschichten und Visionen, die die Türen ins Möglichkeitenland öffnen. Ich habe gelernt, meine Vielfalt als Ressource zu begreifen. Und aus meiner verschlungenen Lebenskurve ziehe ich meine Verzweigungsexpertise. Meine Schwäche ist meine Stärke.
Ich bin ein Wanderer zwischen den Welten.